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Ergophobie: Was hilft bei der Angst vor Arbeit?

Frau hat Angst vor der Arbeit | © Getty Images/Vera Livchak
Ergophobie: Was hilft bei der Angst vor Arbeit?
© Getty Images/Vera Livchak

Unwohlsein und Nervosität bei dem Gedanken an die neue Arbeitswoche? Ergophobie kann die Ursache sein. Dr. Hanne Horvath klärt im Interview über die Angst vor der Arbeit auf.

Was ist Angst vor der Arbeit?

Dr. Hanne Horvath: Betroffene, die unter Ergophobie leiden, beschreiben oft ein diffuses Angstgefühl, das bei dem Gedanken an die Arbeit ausgelöst wird, regelmäßig auftritt und die Lebensqualität beeinträchtigt.

Welche Gründe gibt es dafür?

Horvath: Die Ursachen der Angst lassen sich auf ganz unterschiedliche Gründe zurückführen: Beispielsweise kann ein konfliktreiches Verhältnis zu Kollegen oder Vorgesetzten die Angst auslösen, auch eskalierte Formen wie Ausgrenzung und Mobbing fallen darunter. In anderen Fällen hängt die Angst mit bestimmten Arbeitssituationen und Aufgaben zusammen. Ein Klassiker, den viele Menschen kennen, ist die Angst davor, Vorträge zu halten, zum Beispiel in Meetings. Es können aber auch kleinere Situationen sein, die als herausfordernd empfunden werden. Je häufiger sie im Arbeitsalltag vorkommen, desto belastender natürlich für die Betroffenen. Dann gibt es noch strukturelle Gründe, die zur Angst vor der Arbeit führen können. Darunter fallen Arbeitsplatzunsicherheit oder eine zu hohe Arbeitsbelastung aufgrund von Personalmangel, Leistungsdruck und knappen Deadlines. 

Nach zwei Jahren Pandemie und der Rückkehr aus dem Homeoffice lässt sich darüber hinaus noch ein weiteres Phänomen beobachten. Einige fürchten sich vor einer Ansteckung, andere haben Schwierigkeiten mit der Umgewöhnung, beispielsweise fühlen sie sich durch die vielen sozialen Kontakte gestresst oder kommen mit dem Lärmpegel im Großraumbüro nicht mehr klar. Wir sehen, es gibt also ganz unterschiedliche Gründe, weshalb jemand Angst vor der Arbeit empfinden kann.

An welchen Symptomen kann ich erkennen, ob ich darunter leide?

Horvath: Die Angstreaktion ist zum einen körperlich spürbar. Betroffene leiden häufig unter Symptomen wie Herzrasen, Kopfschmerzen oder Magenbeschwerden. Auch psychisch kann sich die Angst bemerkbar machen, beispielsweise durch Unruhezustände, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafstörungen. In stark ausgeprägten Fällen leiden Betroffene auch unter Panikattacken. Weitere Symptome können sich in einem veränderten Verhalten ausdrücken. Hierunter fallen Überreiztheit, Vergesslichkeit oder die Nichteinhaltung von Deadlines, um nur einige zu nennen.

Was hilft bei Ergophobie? 

Horvath: Es beginnt damit, sich der Angst zu stellen und damit meine ich, ihr mal auf den Grund zu gehen. Viele Betroffene sind irgendwann so gefangen in ihrer Angstspirale, dass es schwerfällt, näher hinzuschauen. Aber genau das ist notwendig. Hilfreich ist es, sich die folgende Frage zu stellen: "Was müsste sich ändern, damit ich wieder gerne zur Arbeit gehen würde?" 

Wenn die Antwort "Meine Kollegin hätte gekündigt" oder auch "Meine Vorgesetzte würde mich nicht mehr kritisieren" lautet, weist alles darauf hin, dass die Angst durch Personen ausgelöst wird. Klingt die Wunschvorstellung so: "Ich würde selbstbewusst und sicher meinen Standpunkt in Meetings vertreten und erfolgreich vor Kunden Präsentationen zu halten", lässt sich die Ursache der Angst eher im Bereich der Arbeitssituationen verorten. Aussagen wie "Mir würde alles mühelos und fehlerfrei gelingen" deuten hingegen eher darauf hin, dass Betroffene zu hohe Ansprüche an sich selbst stellen und unter Perfektionismus leiden. Je nach Ergebnis dieser ersten wichtigen Ursachenforschung gibt es dann verschiedene Bewältigungsstrategien.

Wie sehen diese aus?

Horvath: Steckt hinter der Angst vor der Arbeit eigentlich eine Angst vor einer Person, kann es viel Mut erfordern, etwas zu unternehmen. Denn oft erleben die Betroffenen in diesem Kontext Ausgrenzung, unfaire Behandlung bis hin zu Mobbing und Belästigung. Eine hilfreiche Strategie ist es deshalb, zunächst jemanden ins Vertrauen zu ziehen, um sich zusätzliche Unterstützung von außen zu holen. Eine erste Anlaufstelle können Vorgesetzte, die Personalabteilung oder der Betriebsrat sein. Natürlich passiert es manchmal, dass die Situation trotz Mut der Betroffenen und Bemühungen der ins Vertrauen gezogenen Vermittler nicht ausreichend geklärt werden kann, aber wahrscheinlicher ist es, dass gemeinsam Lösungen gefunden werden.

Ist die Ursache der Angst eher eine bestimmte Aufgabe, führt leider ebenfalls kein Weg daran vorbei, als sich der Herausforderung zu stellen. Das erscheint den Betroffenen zunächst nicht möglich, weshalb es wichtig ist, sich in kleinen Schritten der Aufgabe anzunähern. Wenn es also eine Präsentation vor Kunden ist, die für Schweißhände und Herzrasen sorgt, lohnt es sich, erst mal intern zu üben. Dafür eignen sich zum Beispiel Meeting-Formate, in denen es eher um interne Wissensvermittlung geht oder in denen erfolgreiche Projekte vorgestellt werden. Es ist auch möglich, sich erst mal außerhalb des Arbeitskontextes zu erproben. Hilfreich kann es sein, sich in Diskussionen mit Freunden engagierter zu Wort zu melden oder im Familienkreis deutlicher als sonst seinen Standpunkt zu vertreten. Wichtig ist es, sehr geduldig mit sich zu sein und auch kleine Erfolge zu feiern. Mit der Zeit kann es gelingen, sicherer zu werden und die Angst Stück für Stück abzubauen.

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