Vorsicht bei der Jagd

Unicorn Hunting: Auf der Suche nach Gleichberechtigung

Ein Einhorn mit Blumenkranz steht auf einer Wiese | © Getty Images/Helen Alderton
Beim Unicorn Hunting wird leider nur selten auf die emotionalen Bedürfnisse der dritten Person geachtet
© Getty Images/Helen Alderton

"Unicorn Hunting" beschreibt die Suche eines Paares nach einer meist bisexuellen Frau für einen Dreier. Warum diese Suche für queere Frauen oft problematisch ist und wie Paare verantwortungsbewusst damit umgehen können, erfahrt ihr hier.

Fakten Check: Was sind Unicorns? Was sind Unicorn Hunter?

Beim Unicorn Hunting ist ein meist heterosexuelles Pärchen auf der Suche nach einer dritten Person, meist einer bisexuellen Cis-Frau1, die Interesse an einem gemeinsamen Dreier hat. Was sich jetzt für viele nach einem spannenden Abenteuer anhört, ist aber für queere Frauen oft ein nerviges Problem auf Partys und Dating Apps. 

In diesem Zusammenhang bezieht sich "Unicorn" auf die Frau, bzw. dritte Person, die sich dem Paar anschließt. Da eine bisexuelle, ungebundene Frau, die Lust auf eine rein körperliche Erfahrung hat jedoch äußerst schwer zu finden ist, entstand im Englischen der Vergleich mit dem mythologischen Wesen des Einhorns. Die "Hunter" sind in diesem Bild dann die Personen, die über verschiedene Wege nach einer Dritten suchen

Warum Unicorn Hunting so toxisch sein kann

Auf Dating-Apps findet man oft Paare mit gemeinsamen Profilen, die in ihrer Bio erwähnen, dass sie nach "Spaß zu dritt" suchen. Es ist schön, wenn Menschen offen mit diesem Thema umgehen. Leider kommt es aber auch oft vor, dass sich zwei Frauen matchen, miteinander schreiben und später feststellen, dass eine von ihnen eigentlich in einer heterosexuellen Beziehung ist und nach einer Frau für einen Dreier sucht.

Menschen sollten die Möglichkeit haben, nicht-monogame Beziehungen auf ethische Weise einzugehen. Das bedeutet, dass Erwartungen, Einschränkungen und Wünsche absolut offen und transparent kommuniziert werden sollten. Beim Unicorn Hunting ist dies leider oft nicht der Fall, sodass sich eine Reihe Objektifizierungen und Stereotype über queere Frauen mit jeder Menge männlichem Selbstverständnis paaren (no pun intended).

1. Ungleichgewicht in der Machtverteilung

Oft suchen bereits bestehende Paare eine dritte Person, was zu einem Machtgefälle führt. Das "Hauptpaar" hat oft mehr Kontrolle über die Beziehungsdynamik und die Bedürfnisse der dritten Person werden möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt. Die dritte Person kann sich unter Druck gesetzt fühlen, bestimmte Rollen oder Erwartungen zu erfüllen, um den Bedürfnissen des "Hauptpaares" gerecht zu werden.

 

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Eine Gruppe junger Menschen sitzt in einem bunt beleuchtetem Zimmer, schaut ernst in die Kamera | © Getty Images/Maskot

2. Unsichtbare Erwartungen und Objektifizierung

Viele Paare suchen nicht nach einer gleichwertigen Person, sondern haben versteckte Erwartungen und betrachten das "Unicorn" als reines Objekt der Begierde. In dieser Konstellation wird oft angenommen, dass die Beziehung hauptsächlich zwischen dem heterosexuellen Paar besteht. Von der Dritten wird dann erwartet, dass sie sich "ganz natürlich" auf das Paar einlassen kann, da sie als queere Frau ja wenigstens in der Theorie auf mehr als ein Geschlecht steht. Es ist wichtig, dass das Paar vor der Suche Vorurteile über queere Personen reflektiert und in ihrer Beziehung so gefestigt ist, dass die Erwartungen und Wünsche einer dritten Person keine Unsicherheiten verstärken. Es muss klar sein, dass "das Unicorn" individuelle Bedürfnisse und Grenzen hat, die genauso respektiert werden sollten wie die des Paares.

3. Sex zwischen Frauen als männliche Fantasie?

Ideen darüber, wie eine queere Frau liebt und begehrt, sind gesellschaftlich geprägt von aufgehübschten Hollywood Inszenierungen oder eingestaubten Mainstream Pornos. Das Performen von Sex zwischen Frauen für einen männlichen Blick ist also tief in unserer Kultur verwurzelt. Indem dem Unicorn eine von vornherein sexualisierte Sonderrolle zugesprochen wird, fällt es oft schwer, dessen eigene Bedürfnisse und Gefühle ausreichend zu berücksichtigen. Wenn sich ein heterosexuelles Paar also eine queere Frau ins Bett holt, sollte es sich vorher gründlich reflektieren:

  • Für wen machen wir das?

  • Was erwarten wir?

  • Zwischen wem findet der Sex statt?

  • Warum suchen wir gerade nach einer queeren Cis-Frau?

Besonders als heterosexuelle Frau in dieser Konstellation stellt sich hier besonders die Frage, ob Sex mit "der Anderen" nur für den Partner performt wird oder ob man vielleicht doch nicht so hetero ist, wie angenommen. Auch darüber muss gesprochen werden. Bei einem Dreier sollten alle Beteiligten Spaß haben. Sex, der nur dazu dient, die Bedürfnisse der Beziehungsperson zu erfüllen, sollte daher vermieden werden.

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Paar macht ein Selfie | © Getty Images/Westend61

4. Objektifizierung, Queerfeindlichkeit & Vorurteile

Bisexuelle Frauen werden oft hypersexualisiert und als Menschen dargestellt, die sich in erster Linie zu Männern hingezogen fühlen, aber auch bereit sind, mit Frauen zu "experimentieren", um den männlichen Blick zu befriedigen. Das ist natürlich absolut unwahr, bei so manchen Cis-Männern aber vielleicht immer noch nicht final angekommen. Im "klassischen Dreier" (also MFF) wird an "den Mann" gesellschaftlich die Anforderung gestellt, noch als hetero durchzugehen. Da das Zusammensein mit zwei Frauen seine Männlichkeit und Heterosexualität zu bestärken scheint, gibt es beim Unicorn Hunting auch eine Präferenz für Cis-Frauen. Transfrauen sind in solchen Situationen aufgrund der vorherrschenden Transmisogynie2 oft ausgesetzt. Nicht-binäre bisexuelle Menschen werden in dieser Darstellung oft völlig ausgeschlossen.

 

Wie man es richtig machen kann

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich ein Paar gemeinsam einen Dreier wünscht. Es ist aber wichtig, sich bewusst zu sein, woher dieser Wunsch kommt und was eine dritte Person für euch bedeutet. Als "Wiedergutmachung" oder als Versuch, das Sexualleben aufzupeppen, ist eine Ménage-à-trois weniger geeignet. Unabdingbare Grundlage für eine gesunde Suche und Spaß für alle ist eine stabile Beziehung, in der transparent und offen kommuniziert werden kann. Wer das nicht gewährleisten kann, sollte lieber die Finger davon lassen. Gerade als heterosexueller Cis-Mann sollte man seine Erwartungen und Vorstellungen genau auf typische Vorurteile und Stereotype überprüfen und die eigene Sexualität reflektieren. Wer darüber hinaus auch in Dating-Apps transparent bleibt und auf die Bedürfnisse aller Beteiligten achtet, hat schon viel erreicht.

 

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1Cis-Frauen sind Frauen, deren Geschlechtsidentität mit dem übereinstimmt, das ihnen bei ihrer Geburt anhand der Genitalien zugeschrieben wurde
2Trans-Misogynie ist spezifisch gegen Transfrauen gerichtete Transfeindlichkeit.
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